Flug mit der Piper nach Grönland
Markus Müller will mit seiner Piper Arrow III Turbo von der Hahnweide nach Grönland fliegen. Markus ist ein sehr erfahrener Pilot, der auch die Instrumentenflugberechtigung hat. Markus wird hier über die Vorbereitungen und auch die eigentliche Reise berichten. Wir freuen uns sehr, dass er uns teilhaben lässt und wünschen eine gute Reise! Der Abflug war am 16.08.2020.


30.11.2020 - Unfallanalyse

 

 

Nachdem die Unfalluntersuchungen abgeschlossen sind, möchte ich etwas zu den Ursachen, dem technischen System und der möglichen Vermeidung von Unfällen schreiben.

Auszug aus meinem Unfallbericht:
Am Nachmittag des 21.08.2020 wollten wir von Isafjördur nach Reykjavik zurückfliegen um dann am folgenden Tag nach Schottland zu fliegen. Aufgrund der langen Reise war im Cockpit eine großes Durcheinander. Wir beschlossen das Cockpit zu entladen. Hendrick sollte die Taschen mit der Ausrüstung neu packen, während ich eine kleine Platzrunde zur Überprüfung aller technischen System machen wollte. Wir hatten mal ein Problem, dass der Avionik-Master-Switch nicht richtig funktioniert hat.

Das Flugzeuge war bereits nach der Landung voll getankt und so konnte ich direkt den Außencheck machen. Der Ölstand betrug 8 quarts und lag damit genau im Optimum.

Ich stieg in das Flugzeug und machte einen ausgedehnten Triebwerks-Check. Das Problem mit dem Avionic Hauptschalter war nicht mehr rekonstruierbar und die Verständigung mit der AFIS Funkstelle war laut und deutlich. Um eine ausreichende Kühlung des Motors zu gewährleisten rollte ich einige Meter vom Hangar weg, drehte die Nase in den Wind und arbeitete die Checkliste ab. Alle Anzeigen waren im grünen Bereich, alle Kontrollleuchten OK. Ich rollte zurück zum Hangar, schaltete das Triebwerk ab, stieg aus und besprach mit Hendrick, dass wir nach der Platzrunde direkt nach Reykjavik zurückfliegen werden. Beim Rückflug nach Reykjavik sollte ich der PIC sein.

In der Zwischenzeit kam ein örtlich ansässiger Pilot vorbei, zog sein Flugzeug aus dem Hangar. Die D-EMBW versperrte ihm den Rollweg und so stieg ich ins Flugzeug und rolle ein paar Meter auf die Seite. Der andere Pilot konnte nun an mir vorbei rollen.

Ich arbeitete mich wieder durch die Checkliste um in den routinierten Ablauf zu kommen, prüfte die Fahrwerkslichter (3 grün) und arbeitete den Rest der Checkliste ab. Nachdem ich AFIS gerufen hatte und die Startinformationen erhalten hatte setzte ich die Klappenstufe 2, prüfte die Trimmung und rollte zum Abflugpunkt 08. Der Wind kam mit 10 Knoten direkt von vorne, die Temperatur betrug 10°C, blauer Himmel, Sicht größer 10km. Dem Start stand nichts mehr im Wege. Gas nach vorne und aufpassen dass der Ladedruck die 40“ nicht überschreitet und in den Overboost geht. Die Beschleunigung war normal, die Triebwerksinstrumente waren im grünen Bereich. Weit vor der Halbbahnmarkierung erreichte ich 60 Knoten, dann 70 Knoten. Bei 75 Knoten rotierte ich. In diesem Moment fühlte ich einen kleinen Stoß, der vom Fahrwerk kam, gefolgt von einer Propellerberührung und dem Aufleuchten der „Gear transition warning“-Leuchte. Das Flugzeug war bereits in einem Steigflug. In 2 Metern Flughöhe hatte ich offensichtlich ein Fahrwerksproblem und eine Propellerberührung und noch über 50% der Piste vor mir. Reflexartig folgte ich der Emergency-Checkliste: „ In case of engine failure after Take off with sufficient runway: Close Throttle, full flaps, safe airspeed, land straight ahead, inform ATC.” Ich versuche das Flugzeug so gerade wie möglich zu halten und hoffte, dass das Fahrwerk noch irgendwie intakt war. Leider war dies nicht der Fall und ich landete auf der Schotterbahn. Das Flugzeug kam nach wenigen Metern zum Stehen, drehte sich jedoch noch um 90° um die Hochachse.

Ich brauchte sicherlich 30 Sekunden um die Situation zu realisieren und verließ das Flugzeug. Als ich sah, wie die Flughafenfeuerwehr auf mich zu fuhr, ging ich zurück ins Flugzeug und schaltete den Brandhahn auf OFF. Ich wollte auf jeden Fall vermeiden, dass der Flieger unter einer dicken Decke aus Schaum begraben wird.

 

Nach circa 3 Stunden kam der Unfallermittler aus Reykjavik mit einem Super Puma Helikopter der Coast Guards eingeflogen. Wir machen Bilder des gesamten Flugzeugs und des Cockpits. Wie sich herausstellte ist der Hauptfehler meist zwischen den Kopfhörern. Der Fahrwerksschalter war während der ganzen Zeit auf UP und nicht auf DOWN geschaltet. Ein klassischer Pilotenfehler.


Abflug des Super Puma der Icelandic Coast Guards am Abend des Unfalls um 22:11

Offensichtlich wurde der Fahrwerksschalter, trotz der Verriegelung beim Ausladen des Flugzeuges unbeabsichtigt auf UP geschaltet. Beim Run-up fiel das nicht auf, da alle drei Fahrwerkskontrollleuchten grün waren. Wenn alle Kontrollleuchten auf grün stehen, ist der Pilot sehr geneigt die eigentliche Schalterstellung nicht nochmals nachzuprüfen, ob der Schalter tatsächlich auf DOWN und verriegelt steht.

Wie kann es sein, dass bei dieser Schalterstellung drei grüne Fahrwerkslampen leuchten? Das ist doch technisch nicht korrekt. Diese Frage lies mich nicht los und so studierte ich das Maintenance Handbook der Arrow über mehrere Stunden hinweg bis ich auf einen kleinen aber gewichtigen technischen Fehler stieß, der seit 1995 in diesem Flugzeug schlummerte.

Im Wesentlichen gibt es beim Fahrwerk der Arrow folgende Schalter:
1. Gear switch => Fahrwerkshauptschalter (0=UP; 1=DOWN)
2. Gear down and locked => 3 grüne Leuchten (0=UP; 1=DOWN)
3. Gear transition warning => zentrale rote Warnleuchte mit Hupe
4. Gear up and locked => keine Leuchte (0=UP; 1=DOWN)
5. Squad switch (Fahrwerk ist belastet) (0=UP; 1=DOWN)
6. Throttle switch => Throttle to Idle => Red Gear transition waring light on

 

Diese Schalter sind nun mit UND/ODER Logik verknüpft. In meinem speziellen Fall (gear switch = UP & gear down and locked = DOWN & Squad switch = DOWN) sollte das Gear Transition Warning Light eigentlich rot leuchten und die Hupe tröten, sobald der Hauptschalter eingeschaltet ist. Leider wurde diese Funktion vermutlich bei einem Fahrwerksumbau 1995 deaktiviert. Als dann der Squad switch im Moment des Abhebens entlastet wurde, gab dieser die Freigabe an die Fahrwerkshydraulik und das Fahrwerk fuhr sofort ein. Mit dem Durchschalten des Squad Switch wurde dann auch das rote Gear Transition Warning Light und die Hupe eingeschaltet. Da im Moment des Abhebens die Last kontinuierlich vom Fahrwerk auf den Flügel übertragen wird, sackt das Flugzeug erst mal einige cm ab, der Propeller schlägt ein und dann steigt das Flugzeug weiter. Für die technisch interessierten Leser habe ich den Schaltplan eingefügt. Für die Besserwisser habe ich eine kleine Aufgabe: Bitte Schalterstellungen im Moment des Abhebens einzeichnen und fehlenden Kontakt zur Warnlampe markieren. Die Lösung könnt ihr mir gerne per Mail zusenden: markus.mueller.mobil(at)gmail.com. Der erste Einsender bekommt eine ICAO-Karte 2021 seiner Wahl oder einen Fliegertaschenkalender geschenkt.


Schaltplan der elektrischen Fahrwerkssteuerung.

 

Fazit:

1. Checkliste
Ich benutzte eine Checkliste, die ich nicht so häufig benutze, arbeitete die Liste offensichtlich zu schnell durch und prüfte die Schalterstellung nicht haptisch. => Erprobte Checkliste sollte man nicht wechseln.


2. Fahrwerkschalter in UP Position

Während des Ausräumens und Reinigens des Flugzeuges kam es zu einem unbeabsichtigten Schalten des Fahrwerksschalters. Dies wurde beim darauf folgenden Abarbeiten der Checkliste nicht bemerkt. => Immer wenn jemand im Cockpit etwas macht (Einräumen, Reinigen, Kinder mal Probe sitzen lassen, Passagiere einsteigen lassen, …) sollte das gesamte Cockpit nochmals überprüft werden.


3. Emergency Check List
Checklisten bestehen nicht nur aus Papier, sondern vor allem aus Memory Items. Das sind Abfolgen die mental sofort abrufbar sein müssen um einen sicheren Ausgang des Fluges sicher zu stellen oder einen möglichen Schaden zu minimieren. Das kann ein Startabbruch beim Motorflugzeug oder ein Seilriß beim Segelflugzeug sein. Am besten man betet sich den entsprechenden Satz vor jedem Start vor um so sofort die Handlungsoption durchführen zu können. Im vorliegenden Fall hat das dazu geführt, dass ich nicht mit einem Motor mit Schockloading eine Platzrunde über ein Wohngebiet geflogen bin, sondern lieber eine Notlandung auf der restlichen Bahn durchgeführt haben.


4. System Wissen
Trotz aller technischen Nachprüfungen kann ein technisches System ausfallen oder nicht korrekt funktionieren. Es kann eine Glühlampe durchbrennen oder sonst ein kleines Problem auftreten. Hier hilft nur eine intensive Beschäftigung mit den technischen Systemen, dem Betriebshandbuch und Fachgespräche mit dem Mechaniker, bzw. Avioniker. Am besten man ist bei den Abnahmen mit dabei und lernt so sein Flugzeug besser kennen. Im Wartungs- und Servicehandbuch steht die Prüfung dieser Schalterkombination meines Wissens nach nicht explizit drin.

Am folgenden Tag konnte ich noch ein paar Bilder des Schadens machen. Die Cowling und die Bug-Fahrwerksklappen sind sehr stark mitgenommen was aber kein großes Problem darstellt, da es sich nicht um tragende Strukturen handelt. Die Kufen unten am Rumpf sind zum Teil sehr aufgeschliffen. Der Propeller ist wohl nicht mehr zu retten.

 


Beschädigte Bugfahrwerksklappe


Aufgeschliffene Kufe an der Rumpfunterseite

Im nächsten Bericht erzähle ich wie es mit der Arrow weiter geht, ob sich eine Reparatur lohnt und wie das bewerkstelligt werden kann.

 

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